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Kabelwerk Eupen: „Unterstützung und Kollegialität sind beispielhaft“

Auch anderthalb Monate nach der Flutkatastrophe sitzt der Schock beim Kabelwerk-Personal noch sehr tief. Innerhalb von wenigen Stunden wurde das Traditionsunternehmen in die tiefste Krise seiner über 100-jährigen Geschichte gestürzt. Wenige Tage nach der Katastrophe gab die Direktion bekannt, den Wiederaufbau des Kabelwerkes in Angriff zu nehmen. Das Personal hat sofort die Ärmel hochgekrempelt und mit den Aufräumarbeiten begonnen. Mit zirka 850 Beschäftigten ist das Kabelwerk der größte private Arbeitgeber in Ostbelgien.

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Der Zufahrtsweg zum Kabelwerk lässt auch Wochen nach der Flutkatastrophe erahnen, mit welch brachialer Gewalt die Wassermassen durch die Eupener Unterstadt geschossen sein müssen. Die Straße zum Kabelwerk wurde stellenweise weggespült, die Häuser entlang der Straße wurden sehr stark beschädigt. Auf dem Mitarbeiter-Parkplatz türmen sich jetzt riesige Haufen von Schutt, Schlamm und Schrott. Es ist das Zwischenlager nach den umfassenden Aufräumarbeiten der letzten Wochen. Beim Gang durch das Haupttor fällt auf, dass das Pförtnerhäuschen nicht besetzt ist. Dort musste man sich als Besucher immer anmelden. Das erfolgt nun vor dem Parkplatz. Am Eingang wirkt alles recht sauber und aufgeräumt, ein Mitarbeiter wäscht die Straße. Mein Blick schweift nach rechts, wo das Erdgeschoss ausgeräumt ist und noch heftige Spuren der Verwüstung zu sehen sind. Hier muss die Flut mehrere Meter hoch gewesen sein.

Fragen über Fragen

Ich gehe zum Büro der CSC-Delegation, wo ich unseren Hauptdelegierten Laurent Conzen treffe. „Unser Büro war auch völlig überschwemmt, wir haben nichts mehr retten können.“ Die CSC-Delegation ist nun in die erste Etage gezogen, um dort die Mitglieder zu empfangen, zu beraten und zu informieren. „Es ist unsere Aufgabe, dem Personal unterstützend bei Fragen und Ungewissheiten zur Seite zu stehen, sowie ständig ein offenes Ohr für ihre Belange und Sorgen zu haben“, erklärt der 45-Jährige. Von morgens früh bis abends spät ist der Gewerkschafter erreichbar. Sein Handy klingelt ständig. „Es ist extrem viel Arbeit“, meint er, aber Klagen höre ich nicht von ihm. Im Gegenteil. „Die CSC-Delegation versucht so gut und genau wie möglich die vielen Fragen der Kollegen zu beantworten.“ Die Mitarbeiter wollen wissen, wie es weitergeht und haben Fragen bezüglich Wiederaufbau und Kurzarbeitergeld. „Natürlich macht sich die Belegschaft Sorgen. Es überwiegt aber die große Dankbarkeit, dass die Direktion sich für einen Wiederaufbau des Kabelwerkes ausgesprochen hat. Das gibt den Mitarbeitern Hoffnung, das ist sehr positiv.“ Um alle Mitarbeiter erreichen zu können, hat die CSC-Delegation eine WhatsApp-Gruppe eingerichtet. „Über WhatsApp versuchen wir die Belegschaft regelmäßig zu informieren. Somit erreichen wir auch die Kollegen, die in Kurzarbeit sind“.

„Es war ein Schock“

Laurent Conzen geht mit mir über das riesige Gelände des Kabelwerkes. „Was du hier siehst, ist nichts im Vergleich zu dem, was wir hier direkt nach der Flutkatastrophe vorgefunden haben.“ Der Gewerkschafter war in Urlaub, als er erste Videos von den Überschwemmungen sah. Er brach seinen Urlaub ab und machte sich sofort auf zum Kabelwerk: „Es war ein Schock, wenn man eine derartige Katastrophe mit eigenen Augen sieht. Mein erster Gedanke? Das Kabelwerk wird nicht mehr aufgebaut. Es ist vorbei, unser Werk ist total zerstört. Es war sehr schwer, dieses Ausmaß der Katastrophe zu sehen. Viele Kollegen haben geweint.“

Stellenweise stand das Wasser vier Meter hoch. Mauern - wie an der Hal - le der Werksfeuerwehr - wurden weg - gerissen, tonnenschwere Maschinen verschoben, viele Maschinen und die so wichtigen Elektroschränke wurden teilweise oder komplett überflutet. Und überall Schlamm und Schutt. Die Weserbrücke auf dem Firmengelän - de, die recht hoch über den Flusslauf führt, wurde nochmals um einige Me - ter überspült. Jetzt plätschert dort ein kleines Rinnsal. Kaum zu glauben, aber bittere Realität.

 

Mitarbeiter haben direkt angefangen zu arbeiten“

Viele Mitarbeiter des Kabelwerkes sind sofort, teilweise schon während dem Urlaub zum Werk gekommen. „Sie haben direkt angefangen zu ar - beiten“, blickt Laurent Conzen zu - rück. „Es ist unglaublich viel in zwei, drei Wochen weg- und aufgeräumt worden. Jetzt sind wir in einer Phase, wo man die Fortschritte nicht so gut sieht. Wir verschaffen uns eine Über - sicht über die Schäden und was getan werden muss. Derzeit haben wir noch nicht überall Strom. Probleme bereiten uns auch die langen Lieferfristen für das Material.“ Schnell hat man im Kabelwerk an Strategien für den Wiederaufbau gearbeitet. „Wir haben uns zuerst als Ziel gesetzt, die weniger vom Hochwasser betroffenen Produktionslinien wieder hochzufahren. Danach haben wir eine Prioritätenliste erstellt“, so Conzen. „Seit Mitte August laufen im Rohrwerk wieder neun von zehn Maschinen. Ab Anfang September sind im Rohrwerk fünf Schichten geplant. Dort können auch Mitarbeiter aus der Kabel-Produktion eingesetzt werden“, freut sich der gelernte Elektriker, der seit 25 Jahren im Kabelwerk arbeitet. „Im Schaumwerk arbeitet zurzeit die halbe Belegschaft, allerdings nicht in der Produktion, sondern immer noch an den Aufräumarbeiten. Auch dort wird alles daran gesetzt, die Produktion so schnell wie möglich wieder aufzunehmen.“

Wiederaufbau des Hauptwerkes

Als Pilotprojekt gilt die HF-Halle (Hochfrequenz). „Wir haben uns zuerst auf die HF-Halle konzentriert, die relativ autonom laufen kann und wo die Flutschäden geringer ausgefallen sind. Der HF-Maschinenpark ist modern angelegt, d.h. die Maschinen stehen auf dem Hallenboden und die meisten Elektroschränke befinden sich auf der Etage und sind trocken geblieben. Wir haben an den Maschinen sämtliche Lager ausgetauscht, die Motoren ausgebaut und repariert sowie die Elektroschränke mit Wasserschäden wieder instand gesetzt. Das Ganze ist natürlich sehr arbeitsund zeitaufwendig. Schadensanalyse, Ersatzteile beschaffen, Kosten … Das sind Fragen, die uns ständig beschäftigen.“ Er zeigt mir eine Maschine, an der 200  (!) Lager ausgetauscht wurden. „Im gesamten Kabelwerk haben wir über 150 Maschinen, von kleinen bis ganz großen. Allein diese Arbeiten werden noch Monate in Anspruch nehmen. Deshalb muss man sehr strukturiert und organisiert zu Werke gehen. Wo Bedarf und Möglichkeiten bestehen, helfen handwerklich qualifizierte Mitarbeiter den Handwerkern aus. Wir hoffen auch, dass wir aus den jetzt gemachten Erfahrungen den Organisationsprozess verbessern können.“

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Lichtblicke

Die Produktion in der HF-Halle soll im Oktober wieder aufgenommen werden. „Die Hoffnung besteht, dass vielleicht Mitte September die erste Linie läuft. Die Direktion ist sehr vorsichtig mit ihren Prognosen, das finde ich auch gut.“ Der Wiederaufbau und der daran gekoppelte Zeitplan ist an viele Faktoren gebunden. „Das hängt nicht nur von uns ab, sondern auch von den Lieferanten und möglichen Überraschungen. Wir warten auf Bestellungen und Handwerker, da wir nicht alles in Eigenregie durchführen können. Wir können ja auch nicht alle Maschinen auf einmal reparieren. Das dauert. Mit einer derartigen Situation wurden wir noch nie konfrontiert.“ Im Bereich Mittelspannung hat das Kabelwerk einen Großauftrag und möchte den Kunden bei der Stange halten. „Deshalb setzen wir im Moment die notwendigen Maschinen instand, die sich nicht in einer Halle, sondern in verschiedenen Abteilungen befinden. Wir gehen also nicht pro Abteilung, sondern pro ‚KabelTyp‘ vor“, umschreibt Conzen die Strategie. Einen Teil des Lagerbestandes haben die Fluten mitgerissen beziehungsweise ist aufgrund der massiven Verschmutzungen unbrauchbar. „Wir haben aber glücklicherweise noch viel Ware auf Lager, die noch verkauft werden kann. Manches muss umgewickelt und gesäubert werden. Auch diese Prozesse laufen auf Hochtouren.“

Kurzarbeit 

Die eigentlichen Aufräumarbeiten gehen aber allmählich zu Ende. „Für die Aufräumarbeiten war bisher etwa ein Drittel der Mitarbeiter im Hauptwerk vor Ort. Danach werden wir verstärkt Kurzarbeit einführen müssen, weil wir für den Wiederaufbau der Abteilungen Zeit benötigen.“ Damit das Personal abwechselnd zum Einsatz kommt, wurde die Kurzarbeit aufgeteilt. „Wir sind noch bis Ende September in Kurzarbeit wegen höherer Gewalt. Wir erhalten 70 Prozent unseres Lohnes, aber der Steuervorabzug liegt nur bei 15 Prozent. Bei der nächsten Steuererklärung werden also Nachzahlungen fällig. Darauf weisen wir die Kollegen hin, damit sie im kommenden Jahr nicht aus allen Wolken fallen. In meinen Augen müsste die Politik dafür sorgen, dass Kurzarbeit weniger besteuert wird. Die Menschen haben alles verloren, es geht um ihre Existenz.“ Längere Perioden der Kurzarbeit bereiten dem CSC-Delegierten Sorgen. „Die Zeit spielt nicht für uns. Je länger es dauert, desto schwieriger wird es auch für die Kollegen mit dem Kurzarbeitergeld auszukommen.“ Conzen hegt die Befürchtung, dass ein Teil der Belegschaft das Unternehmen verlassen könnte. „Wir setzen alle Hebel in Bewegung, damit die Kollegen im Kabelwerk bleiben. In der Gewerkschaftsdelegation haben wir auch die Möglichkeit besprochen, inwiefern unsere Mitarbeiter zeitweise an andere Unternehmen ausgeliehen werden können. Und wenn es hier wieder losgeht, können sie wieder zurückkommen. Diese Möglichkeit müssen wir prüfen, damit auch alles legal zugeht. Ich bitte die Mitarbeiter auch um etwas Geduld. Bisher haben wir noch nicht viel gestempelt. Wir versuchen jedenfalls alles, um gute Lösungen für die Belegschaft zu finden“, appelliert Laurent Conzen.

Doppelt von Flutkatastrophe betroffen

Eine Reihe von Kabelwerk-Mitarbeitern ist sogar doppelt von der Flutkatastrophe betroffen, sowohl beruflich als auch privat. „Viele Mitarbeiter wohnen in direkter Nähe zum Kabelwerk. Auch ihre Privathäuser wurden von der Flutwelle schwer getroffen. Wir haben auch Ehepartner, die beide für das Kabelwerk arbeiten, die auch zu Hause massive Wasserschäden zu beklagen haben. Ich frage mich, wie sie das verarbeiten. Wir versuchen die Leute bestmöglich zu unterstützen, so wird unter anderem eine psychologische Betreuung für die Betroffenen angeboten.“ Im Zuge des Wiederaufbaus des Eupener Kabelwerkes spielen die Kosten eine zentrale Rolle. Wieviel zahlen die Versicherungen und inwiefern kann ein Unternehmen wie das Kabelwerk mit öffentlichen Hilfsmitteln rechnen. „Geld ist ein großes Problem. In den ersten fünf, sechs Wochen haben wir aufgeräumt. Jetzt sind wir dabei, die Kosten für den Wiederaufbau zu beziffern. Genaue Zahlen sieht man aber erst, wenn aufgebaut wird. Deshalb ist eine Kostenaufstellung für den Wiederaufbau unglaublich schwierig. Ich hoffe aber auch, dass die Politiker ihre Versprechen halten. Ich denke dabei an die Gespräche mit DG-Ministerpräsident Oliver Paasch und mit dem wallonischen Wirtschaftsminister Willy Borsus. Auch Ursula von der Leyen, Präsidentin der EU-Kommission, war vor Ort, um sich das Ausmaß der Schäden anzuschauen.“

Solidarität und Kollegialität

Überwältigt ist Laurent Conzen von der enormen Solidaritätswelle. „Die Unterstützung und die Kollegialität sind beispielhaft. Ich kann unsere Mitarbeiter nicht genug loben. Sie identifizieren sich sehr mit dem Betrieb. Das Kabelwerk ist mehr als 100 Jahre alt, selten wird Mitarbeitern gekündigt und viele arbeiten 40, 45 Jahre hier. Das gilt aber auch für die Direktion. Unser Chef, Herr Bourseaux, ist 93 Jahre alt und ich möchte ihm danken, dass er und Herr Thönnes alles versuchen, das Kabelwerk und somit die Jobs der Mitarbeiter zu retten.“ Eine derartige Katastrophe kann man nur mit Menschen bewältigen. „Sowohl den Mitarbeitern als auch der Direktion liegt das Kabelwerk sehr am Herzen. Wenn wir an einem Strang ziehen, dann werden viele Dinge gelingen. Wir müssen optimistisch bleiben. Glücklicherweise haben wir keine Todesopfer zu beklagen. Mit viel Wille und Mut können wir diese einmalige Krise überwinden“, so Laurent Conzen.

Jochen Mettlen