Kabelwerk Eupen
Gemeinsam Herausforderungen meistern!
Im Hinblick auf die Sozialwahlen haben wir uns mit Laurent Conzen und Thibault Petiniot, CSC-Delegierte im Kabelwerk Eupen, unterhalten. Beide sind seit Jahren Teil des Gewerkschaftsteams und blicken optimistisch in die Zukunft, trotz der Herausforderungen, die sie in den letzten Jahren gemeistert haben.
Steckbrief
Betrieb: Kabelwerk
Ort: Eupen
Anzahl Beschäftigte:
820 Vollzeitäquivalente
Produktion:
Kabel, Schaumstoff und Rohre
Umsatz:
250 - 300 Mio. Euro
Delegierte:
Laurent Conzen (47),
seit acht Jahren Metea-Delegierter
Thibault Petiniot (30),
seit vier Jahren CNE-Delegierter
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Vom Hanfseil zum High-Tech-Kabel
Es ist Freitagnachmittag und Schichtwechsel im Kabelwerk. Ein Strom an Arbeiter zieht zu Fuß oder mit dem Rad an mir vorbei und verabschiedet sich mit einem kurzen „Mahlzeit“ ins Wochenende. Der Sicherheitsmann am Eingang begrüßt mich mit einem breiten Lächeln und stellt fest: „Alle Wege führen ins Kabelwerk.“
Das Kabelwerk in der Malmedyer Straße in Eupen ist ein Wahrzeichen der Stadt und ein Schwergewicht der regionalen Industrielandschaft. Vom Süden kommend ist das riesige Industrieareal mit seinen hohen Schloten am Stadtrand nicht zu übersehen.
Die Ursprünge des Kabelwerks reichen bis ins späte 18. Jahrhundert zurück, als es von den Brüdern Bourseaux gegründet wurde. Früher beschäftigte das Werk bis zu 1.200 Personen. Heutzutage zählt die Belegschaft immerhin noch stolze 850 Mitarbeiter, darunter 240 Angestellte, was seine beachtliche Größe verdeutlicht. Damit ist das Kabelwerk der größte private Arbeitgeber in der Region.
Neben der Kabelproduktion hat sich das Werk auch im Bereich der Rohr- und Schaumstoffherstellung eta-bliert, was seine Vielseitigkeit und Innovationskraft unterstreicht. Mit seiner langen Geschichte, seiner großen Bedeutung für die regionale Wirtschaft ist das Kabelwerk ein unverzichtbarer Bestandteil der Industrielandschaft in Ostbelgien.
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Ein eingespieltes Team
Ich erkenne meine beiden Gesprächspartner bereits von weitem an ihren grünen Jacken. Laurent Conzen (47) ist seit acht Jahren Gewerkschaftsdelegierter für die Arbeiter (CSC Metea) und Thibault Petiniot (30) vertritt seit vier Jahren die Angestellten (CNE). Ihre enge Zusammenarbeit und ihr gegenseitiges Vertrauen sind offensichtlich. Thibault betont die Bedeutung dieser Verbundenheit: „Ich bin sehr dankbar, dass ich Laurent an meiner Seite habe. Wir sind ein starkes Team und ich kann mich immer auf ihn verlassen. Mit seiner langjährigen Erfahrung im Betrieb ist Laurent nicht nur ein zuverlässiger Kollege, sondern auch ein wertvoller Mentor für mich. Ich habe mich von Anfang an im Gewerkschaftsteam willkommen gefühlt.“ -
Krisen und Solidarität
Thibault erzählt von den Herausforderungen der vergangenen Jahre, die geprägt waren von Krisen und einer großen Naturkatastrophe, deren Auswirkungen bis heute spür- und sichtbar sind. Die Coronakrise brachte zahlreiche Schwierigkeiten mit sich, von der Umsetzung der erforderlichen Gesundheitsmaßnahmen bis hin zum internen Krisenmanagement. Es war wichtig, auf die Sorgen und Ängste der Arbeitnehmer einzugehen. Ungewissheit und Unklarheit unter der Belegschaft waren so groß, dass die Gewerkschaftsdelegation spontan WhatsApp-Gruppen ins Leben rief, um die Kollegen regelmäßig zu informieren.
Als Kurzarbeit unvermeidlich wurde, wurde gemeinsam darüber beraten, wer von den finanziellen Einbußen am wenigsten betroffen sein würde. „Es erforderte viel Fingerspitzengefühl und Diplomatie“, sagt Laurent. „Glücklicherweise konnten wir auf die Solidarität innerhalb der Belegschaft zählen.“
„Dann traf uns im Juli 2021 die Hochwasserkatastrophe und verwüstete das Werk. Die Ausmaße waren enorm und wir befürchteten das Schlimmste. Obwohl die Wallonische Region und die Versicherungen eingriffen, bleibt ein beträchtlicher Teil des Gesamtschadens von rund 40 Millionen Euro zu schultern. Glücklicherweise konnten wir dank unserer Lagerreserven zunächst unsere Kunden weiterhin beliefern, aber fast drei Jahre später leiden wir immer noch unter den Folgen. Einige unserer Lagerbestände sind erschöpft und die Produktion muss ständig an die Auftragslage angepasst werden, was zusätzlichen Druck auf die Arbeiter ausübt“, so der Gewerkschafter.
„Als ob das nicht genug wäre, macht sich nun auch die Inflation bemerkbar, insbesondere in der Schaumstoffproduktion. In Zeiten der Krise überlegen es sich die Menschen zweimal, ob sie eine neue Matratze benötigen. Glücklicherweise haben wir Vorzeigeprodukte und investieren kontinuierlich in innovative Produkte, die in unserem hauseigenen Labor getestet werden. Wir nehmen eine Vorreiterrolle ein und sind weltweit für unsere Premiumprodukte bekannt, die Großaufträge generieren und zum Fortbestand unseres Standorts beitragen“, sagt Laurent Conzen weiter. -
Auf andere zugehen und ein offenes Ohr für jedes Anliegen haben
Die Krise brachte jedoch auch Positives mit sich. Sie schweißte die Mitarbeiter enger zusammen, und es entwickelte sich eine große Solidarität. „Gewerkschaftsarbeit ist sehr vielfältig“, betont Laurent. „Neben sämtlichen administrativen Aufgaben, hat man als Gewerkschaftsdelegierter auch eine soziale Rolle. Man muss ein offenes Ohr für die Probleme anderer haben und sich diesen annehmen. Denn trotz unserer Größe sind wir wie eine Familie. Nicht selten sind Arbeiter hier bereits seit 40 Jahren beschäftigt und einige Familien sind seit Generationen hier verwurzelt. Jeder kennt jemanden, der hier arbeitet, oder?“
Trotz der Herausforderungen der vergangenen Jahre konnten die beiden Gewerkschafter einiges erreichen. Besonders stolz sind sie darauf, dass alle Arbeitsplätze erhalten blieben und sämtliche Sozialvorteile bewahrt wurden.
Ein weiteres erfolgreiches Projekt war das Bike-Leasing-Programm, das den Mitarbeitern die Möglichkeit bot, ein Fahrrad zu erwerben. Die Ratenzahlung erfolgt über 36 Monate vom Bruttogehalt. Nach Ablauf dieser Zeit besteht die Option, das Fahrrad zu kaufen. Im Gegenzug muss das Rad mindestens zu 20 % für den Arbeitsweg genutzt werden. Das Projekt war ein voller Erfolg, denn im Jahr 2023 nahmen rund 150 Mitarbeiter das Angebot in Anspruch. Neben dem finanziellen Anreiz ist es auch eine nachhaltige Maßnahme. „Wenn man erfolgreich sein möchte, ist es wichtig, durchdachte Konzepte vorzubereiten. Dahinter steckt natürlich viel Vorbereitungs- und Überzeugungsarbeit,“ betont Laurent.
In den kommenden Jahren haben Laurent Conzen und Thibault Petiniot noch einiges vor. Insbesondere beobachtet Thibault, als Vertreter der jüngeren Generation, dass sich die Prioritäten der Arbeitnehmer stark verlagert haben. Work-Life-Balance, flexible Arbeitszeiten und Homeoffice sind die neuen Schlagwörter in der heutigen Arbeitswelt. Attraktive Arbeitsbedingungen sind entscheidend, um junge Fachkräfte anzulocken. Derzeit leidet das Kabelwerk noch nicht unter Fachkräftemangel. Auch aufgrund seines Rufes als ‚guter‘ Arbeitgeber gehen noch genügend Bewerbungen auf vakante Stellen ein. Dennoch ist die Altersstruktur der Belegschaft ein Thema, da 50 % der Mitarbeiter über 50 Jahre alt sind. Die Herausforderung besteht darin, verschiedene Interessen zu berücksichtigen und Spannungen zu bewältigen, die entstehen, wenn verschiedene Generationen mit unterschiedlichen Prioritäten aufeinandertreffen.
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Den ökologischen und finanziellen Wandel gemeinsam meistern
Laurent möchte im kommenden Mandat dafür kämpfen, dass die innerbetrieblichen Vorteile erhalten bleiben und das Laufbahnende positiv gestaltet wird. Die Verbesserung der Infrastruktur, einschließlich Getränkeautomaten, Duschen und anderer Annehmlichkeiten für die Arbeiter, steht ebenfalls auf der Agenda.
Zudem streben sie eine verbesserte Kommunikation an. „Die Digitalisierung hat die Kommunikationslandschaft grundlegend verändert Das Schwarze Brett gehört der Vergangenheit an. Wir müssen verstärkt moderne Kommunikationsmittel ausbauen“, betont Laurent.
Eine der größten Herausforderungen, denen sie sich stellen, ist der energetische, finanzielle und ökologische Wandel. Sie möchten diese zukünftigen Veränderungen Schritt für Schritt gemeinsam mit ihren Kollegen meistern.
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Interessen der Mitarbeiter vertreten
Die bevorstehenden Sozialwahlen haben einige Veränderungen mit sich gebracht, darunter eine 50-prozentige Neuaufstellung der Gewerkschaftsdelegation der Arbeiter aufgrund personeller Veränderungen. Glücklicherweise gab es ein relativ hohes Interesse und Laurent ist erfreut darüber, dass sich schnell neue Gewerkschaftsdelegierte gefunden haben. Thibault konnte im Angestelltenbereich zwei neue Gewerkschaftskollegen für die gemeinsame Sache gewinnen. Sie freuen sich auf die neue Zusammenarbeit.
Abschließend betonen beide, dass Gewerkschaftsarbeit ein stetiger Prozess ist und von kontinuierlicher Überzeugungsarbeit geprägt ist. Laurent wünscht sich für das kommende Mandat noch mehr Präsenz vor Ort. „Wir haben vier schwierige Jahre hinter uns, in denen Krisen uns oft an unserer eigentlichen Gewerkschaftsarbeit gehindert haben. Dank der guten Zusammenarbeit innerhalb der Gewerkschaftsdelegation und dem engagierten Einsatz des gesamten Gewerkschaftsteams konnten wir trotzdem viel erreichen. Wir werden auch zukünftig die Interessen der Arbeiter und Angestellten vertreten und eine faire Arbeitsumgebung fördern. Die Gewerkschaftsarbeit bleibt eine spannende Herausforderung.“
Schließlich laden mich Laurent und Thibault auf eine Tour durch das Werk ein. Wir laufen durch ein Labyrinth aus Treppen und Gitterwegen, vorbei an pfeifenden Maschinen und Spulen. Laurent kennt jeden Winkel der riesigen Hallen und erklärt mir voller Leidenschaft die verschiedenen Produktionsabläufe. Ich verlasse das Kabelwerk mit einem guten Gefühl. Die kommenden Jahre mögen Herausforderungen bringen, aber mit der Solidarität und dem Engagement von Laurent und Thibault bin ich zuversichtlich, dass sie diese meistern werden.