Krankenhaus Eupen
"Es waren sehr bewegte Jahre!"
Das St. Nikolas Hospital Eupen beschäftigt rund 600 Mitarbeiter und ist somit einer der größten Arbeitgeber im Norden der Deutschsprachigen Gemeinschaft. Diese Mitarbeiter sind in einem Ausschuss für Gefahrenverhütung und Schutz am Arbeitsplatz (AGS) und einem Betriebsrat (BR) vertreten. Wir sprachen mit Andreas Schumacher, der seit über 30 Jahren CNE-Delegierter ist.
Steckbrief
Institution: St. Nikolaus Hospital
Ort: Eupen
Anzahl Beschäftigte:
ca. 540 Angestellte
ca. 80 Arbeiter
zurzeit 75 Fachärzte
Delegierte:
Andreas Schumacher, Delegierter seit 1992
Philippe Baltus, Delegierter seit 12 Jahren
E-Mail: betriebsrat@hospital-eupen.be
Andreas Schumacher: "Mein größter Wunsch ist, dass unsere gewerkschaftliche Arbeit am St. Nikolaus Hospital und in unserem Netzwerk in Zukunft so gut bleibt wie jetzt und sich eventuell noch verbessern wird."
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Wie blickt ihr auf die vergangenen vier Jahre zurück?
Es waren sehr bewegte und anstrengende Jahre für unsere 620 Mitarbeiter (diese Zahl fluktuiert und entspricht circa 310-330 Vollzeitäquivalenten). In vier Jahren erlebten wir fünf Direktionswechsel, einen Wechsel in der Direktion der Personalressourcen und einen Wechsel in der Pflegedienstleitung! Dieses ewige Hin und Her hat die Lage, die aufgrund der Corona-Krise und der Reformen des Gesundheitssektors sowieso schon angespannt war, nicht erleichtert. Denn diese Reformen gingen mit Sparmaßnahmen einher, die jedes Mal große gewerkschaftliche Anstrengungen forderten, um u.a. Arbeitsplätze zu retten. Dabei haben wir auch auf unsere Gewerkschaftssekretärin Vera Hilt zurückgegriffen, um an den Verhandlungen teilzunehmen. Unsere Arbeit als Delegierte war folglich eher defensiver statt fordernder Art. Das war manchmal frustrierend. Die letzten vier Jahre waren daher auf keinen Fall die besten meiner gewerkschaftlichen Laufbahn.
Auch wirtschaftlich gesehen waren es eher schlechte Jahre. Aber das ist ein nationales Problem. Laut einer MAHA-Studie (dem finanziellen Gesundheitsbarometer der Krankenhäuser) sind in Belgien circa 60 % der Krankenhäuser ernsthaft defizitär. Aufgrund der häufigen Direktionswechsel hier bei uns fehlt es an Stabilität und einer geraden Linie in der Führung. Wir sind gespannt, wie unsere neue Generaldirektorin Sophie Piedboeuf, ehemalige Juristin im Haus, diese große Herausforderung angehen wird.
Der Ärztemangel im Allgemeinen macht uns ebenfalls stark zu schaffen. Die Konsequenz ist eine viel zu niedrige „Produktivität“ (Krankenhäuser werden ja als Unternehmen betrachtet, die den Politikern zufolge rentabel zu sein haben…), was natürlich Mindereinnahmen und Defizite mit sich bringt. Ein wahrer Teufelskreis.Unsere Entbindungsstation wurde vorübergehend wegen Ärztemangels geschlossen. Ein Teil unserer Hebammen arbeitete danach im Krankenhaus Heusy, andere haben unbezahlten Urlaub genommen, in der Hoffnung, dass die Entbindungsstation in Eupen wieder öffnen wird. Vor der Schließung hatten wir hier durchschnittlich 450 Geburten im Jahr. Aber das Kalkül, diese nach Heusy oder den größeren Kliniken im Lütticher Raum zu „verlagern“, ging nicht auf: Aufgrund der Grenznähe und der Sprache bringen viele Frauen ihr Kind jetzt in Aachen auf die Welt. -
Wie sieht euer Ausblick auf die kommenden vier Jahre aus?
Was die Zukunft für die kleinen Krankenhäuser bereit hält, können wir nicht sagen. Geographisch stehen wir als Krankenhaus auf jeden Fall viel schlechter da als St. Vith: Verviers ist nur gut 15 km entfernt, nach Aachen ist auch nur ein Katzensprung.
Besonders die roten Zahlen, die wir schreiben, bereiten uns Sorgen. Aber vielleicht werden wir uns auch Herausforderungen stellen müssen, mit denen wir jetzt noch nicht rechnen. Tatsache ist jedoch, dass es den kleinen „Rand“-Einrichtungen nicht leicht gemacht wird. Seit drei Jahren sind wir hoch defizitär. Die föderale Finanzierung müsste überdacht und grundlegend reformiert werden, um eine ausgewogene Finanzierung zwischen großen und kleinen Kliniken zu gewährleisten. Es geht nicht an, dass die kleinen Krankenhäuser nur die (finanziellen) „Krümel“ abkriegen, die mit der (zeit- und pflegeintensiven) Nachsorge oder Reha einhergehen, während die großen Kliniken durch schwere Pathologien (Untersuchungen, OPs usw.) absahnen. Um unsere Standorte zu sichern, müssen die schlechten Bilanzen dringend ausgeglichen werden. Diesen Kampf haben wir noch nicht gewonnen, aber wir geben die Hoffnung nicht auf.
In naher Zukunft wollen wir auch unsere Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsnetzwerk MOVE effizient ausbauen. Dieses Netzwerk umfasst die Krankenhäuser Eupen, St. Vith und die CHC-Kliniken in Waremme, Hermalle und Heusy sowie die Klinik CHC MontLégia. Letztere übernimmt u.a. schwere Fälle, die in den vorgenannten fünf Nahversorgungskrankenhäusern nicht behandelt werden können.
Im Rahmen von MOVE wurde ein neues Gremium „soziale Konzertierung“ eingerichtet, in dem jede Klinik vertreten ist, und zwar durch je eine Person für die Direktion, die Pflegedienstleistung und das Personalmanagement und ein bis zwei Gewerkschaftsdelegierte für alle in der Klinik vertretenen Gewerkschaften. Für St. Vith und Eupen sitzen je 2 CNE-Delegierte in diesem Gremium, das drei- bis viermal im Jahr zusammentritt. Wir hoffen, dass die Zusammenarbeit mit all diesen Kliniken uns stärken wird.
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Wie läuft die Gewerkschaftsarbeit?
Wir haben eine sehr gut funktionierende Betriebsgruppe. Aber es ist Zeit für eine Verjüngung und den Ersatz der „Altdelegierten“. Dieser sorgfältig vorbereitete Wechsel ist gut angelaufen: Wir haben einige „Jungdelegierte“, die sehr motiviert sind und sich voll ins Zeug legen, um in ihrem Umfeld und ihrer Altersklasse Leute für die Sache zu mobilisieren. Wenn wir die Equipe also erfolgreich verjüngen können, sieht die Zukunft - zumindest aus gewerkschaftlicher Sicht - gut aus. -
Welche Ziele habt ihr euch für die kommenden Jahre gesetzt?
Neben der erwähnten Verjüngung der Delegation werden wir weiterhin aktiv eine konstruktive und bestimmte Mitarbeit im Krankenhaus anstreben, um unser „Überleben“ zu sichern. Ich denke hier u.a. an partizipatives Management, für das die Direktion offen ist. Denn uns allen liegen das Krankenhaus und die Mitarbeiter am Herzen. Für die meisten ist der Beruf nämlich Berufung: Während der Corona-Krise gab es weniger Krankmeldungen als sonst.Zu bemerken ist ebenfalls, dass in Belgien eine Pflegekraft für 11 Patienten vorgesehen ist, während der europäische Durchschnitt 1 zu 8 beträgt. Der belgische Staat müsste also die Pflegenormen drastisch erhöhen, insbesondere da eine Studie belegt, dass die Sterberate in personell gut besetzten Einrichtungen bedeutend niedriger ist.
Natürlich werden wir auch weiterhin die bisherigen Errungenschaften verteidigen. Aber dieser Kampf ist oft so zeit- und kraftraubend, dass kaum Zeit und Energie für neue Ziele und Ansätze bleibt. Es ist also höchste Zeit, dass Jüngere sich der Sache annehmen und sie mit ihrem Elan und ihrer Motivation voranbringen. Denn ein gut funktionierendes Gesundheitssystem kommt uns allen zugute!
Mein größter Wunsch ist, dass unsere gewerkschaftliche Arbeit am St. Nikolaus Hospital und in unserem Netzwerk in Zukunft so gut bleibt wie jetzt und sich eventuell noch verbessern wird. Ich wünsche mir für die Zukunft auch weiterhin eine gute Zusammenarbeit mit unseren CNE-Kollegen in St. Vith.
Was wurde national und hausintern für die Beschäftigten erreicht?
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Auf NATIONALER Ebene
- Dank einer Lohnreform (IFIC-Tarifierung) wurde eine durchschnittliche Gehaltserhöhung von circa 7,5 % im Sektor erreicht. Diese Erhöhung trägt auch zur Bindung unseres Pflegepersonals bei und verhindert, dass es nach Deutschland abwandert. Im Süden des Landes ist die Gefahr größer, dass es Pflegekräfte nach Luxemburg zieht, weil dort weit höhere Gehälter gezahlt werden.
- Es wurde ein Weißkittelfonds (Fonds des Blouses Blanches, FBB) mit bedeutenden Finanzmitteln eingerichtet. Dank dieses Fonds konnte das St. Nikolaus Hospital das Pflegepersonal um etwa 12 Vollzeitäquivalente (auf alle Stationen verteilt) aufstocken, was einer Investition von circa 1 Milliarde Euro auf nationaler Ebene entspricht. Die Corona-Krise hat uns allen und besonders den Politikern deutlich vor Augen geführt, wie wichtig Krankenhäuser und Pflegekräfte sind und hat den politischen Entscheidungsprozess zweifelsohne beschleunigt und so zu dieser Errungenschaft beigetragen.
- Dank Zuschüssen des Sozialen Maribel-Fonds konnten auch andere Abteilungen ihr Personal um 2,5 Vollzeitäquivalente verstärken.
- Die Gewerkschaftsprämie wurde auf 110 Euro (55 Euro für halbtags) angehoben.
- Das Projekt 600, das Arbeitnehmern des Gesundheitswesens ein Krankenpflegestudium ohne Gehaltsverlust ermöglicht, wurde erfolgreich verlängert. So hat z.B. ein Pflegehelfer das Recht, bei vollem Lohn ein Studium zum A1- oder A2-Pfleger zu machen. Das Studium dauert 1 bis 1,5 Jahre für Pflegehelfer, 3,5 Jahre für A2-Pflegekräfte und 4 Jahre für A1-Pflegekräfte (Bachelor). Dem Arbeitgeber wird der Ersatz der studierenden Person zu circa 40.000 Euro pro Jahr finanziert. Hausintern hat dies zu einem Konflikt geführt, weil die Direktion sich nicht an dieses Abkommen halten will, das in der Tarifkommission vereinbart wurde.
- Es wurde ein kollektives Arbeitsabkommen (KAA) zum Recht auf Nichterreichbarkeit sowie ein KAA, das jedem Beschäftigten das Anrecht auf 5 Tage Weiterbildung im Jahr zusteht, abgeschlossen.
- Ein absolutes Novum ist, dass das Pflegepersonal jetzt Anrecht auf drei Wochen Urlaub am Stück hat, das abschließende Wochenende inbegriffen. Vorher mussten die Kollegen nach knapp drei Wochen schon am Wochenende wieder antreten oder erhielten erst gar keine drei Wochen.
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HAUSINTERNE Erfolge
- Das alte Abkommen bezüglich der Arbeitslosigkeit mit Betriebszuschlag (SAB, die einstige Frühpension) mit zuzüglichen Vergünstigungen konnte um drei weitere Jahre verlängert werden. Die Prämie, die vorher 50 % des Nettoreferenzlohns betrug, wurde auf 60-80 % angehoben, je nach Betriebszugehörigkeit. Das mussalle drei Jahre neu ausgehandelt werden. Dieses Abkommen leidet jedoch unter dem Prinzip der Disponibilität auf dem Arbeitsmarkt. Der „Arbeitslose“ würde wegen des ständigen Pflegekräftemangels wieder für den Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen und ginge dann die Gefahr ein, anderswo zu schlechteren Verhältnissen eingesetzt zu werden. Denn wer gibt schon mit 60 Jahren und 30 Jahren im Haus seinen Job ganz in der Nähe für eine andere Arbeitsstelle auf, die eventuell 20 km weiter liegt? Daher arbeiten die meisten bis zu ihrer vorgezogenen Pension, weil sie es gar nicht bis 66 oder 67 in diesem Beruf schaffen.
- Ein KAA legt auch den Zuschlag des Arbeitgebers bei Zeitkrediten am Laufbahnende fest. Dieser beträgt 5 % des Bruttolohns bei einer 1/5-Reduzierung und wird bei einem halbzeitigen Zeitkredit am Laufbahnende auf 8 % angehoben.
- Es gibt ebenfalls ein Abkommen bezüglich eines Zuschlages bei vorgezogenen Pensionen. Denn viele Mitarbeiter bleiben bis zum Ende, auch aus wirtschaftlichen Gründen. Um die teureren Gehälter aus dem Verkehr zu ziehen und Platz für junge Leute zu machen, erhalten sie ein „Zückerchen“, wenn sie in vorgezogene Pension gehen. Dieser Anreiz findet bei uns hohen Zuspruch.
- Wir konnten erfolgreich einige Flexibilitätsprämien verhandeln. Diese Prämien werden gewährt, wenn ein Beschäftigter auf freiwilliger Basis zum Beispiel einen kranken Kollegen ersetzt.
- Eine neue Arbeitsordnung wurde paritätisch erarbeitet. Einer der wichtigsten Punkte ist die neue Stundenplanbearbeitung. Jetzt werden die definitiven Stundenpläne dem Personal 15 Tage vor Anfang des nächsten Monats mitgeteilt. Dies geschah vorher manchmal viel kurzfristiger (von Woche zu Woche), wodurch die Beschäftigten ihr Privatleben nicht planen konnten.
- Das „ROK“ (Regionalkomitee Ostbelgischer Krankenhäuser) wurde eingerichtet. Dieses Komitee baut die gewerkschaftliche Zusammenarbeit zwischen den Kliniken St. Vith und Eupen aus. Der Austausch ist sehr interessant, kann aber auch konfrontierend sein: Manchmal muss man selbstkritisch sein und zugeben, dass der eingeschlagene Weg nicht optimal ist und dass es im anderen Krankenhaus besser läuft. Aber gleichzeitig entdeckt man so gute oder bessere Ansätze und Praktiken, die man übernehmen kann… oder die von dort übernommen werden. Denn schließlich sitzen wir alle im selben Boot.
- Das alte Abkommen bezüglich der Arbeitslosigkeit mit Betriebszuschlag (SAB, die einstige Frühpension) mit zuzüglichen Vergünstigungen konnte um drei weitere Jahre verlängert werden. Die Prämie, die vorher 50 % des Nettoreferenzlohns betrug, wurde auf 60-80 % angehoben, je nach Betriebszugehörigkeit. Das mussalle drei Jahre neu ausgehandelt werden. Dieses Abkommen leidet jedoch unter dem Prinzip der Disponibilität auf dem Arbeitsmarkt. Der „Arbeitslose“ würde wegen des ständigen Pflegekräftemangels wieder für den Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen und ginge dann die Gefahr ein, anderswo zu schlechteren Verhältnissen eingesetzt zu werden. Denn wer gibt schon mit 60 Jahren und 30 Jahren im Haus seinen Job ganz in der Nähe für eine andere Arbeitsstelle auf, die eventuell 20 km weiter liegt? Daher arbeiten die meisten bis zu ihrer vorgezogenen Pension, weil sie es gar nicht bis 66 oder 67 in diesem Beruf schaffen.