Krankenhaus Sankt Vith
"In den letzten Jahren hat sich viel getan!"
Bis zu den Sozialwahlen im Mai werden wir die Gewerkschaftsarbeit in einigen großen und kleineren Betrieben und Institutionen vorstellen. Wir beginnen mit dem Krankenhaus St.Vith, dem größten Arbeitgeber im Süden Ostbelgiens. Nadja Jacobs und Dajana Andre sind beide langjährige und erfahrene Gewerkschaftsdelegierte, die uns einen sehr interessanten Einblick in ihre Arbeit bieten.
Steckbrief
Institution: Klinik St. Josef
Ort: St.Vith
Anzahl Beschäftigte:
444 Angestellte
71 Arbeiter
90-100 Ärzte
Delegierte:
Nadja Jacobs, Delegierte seit 24 Jahren
Dajana Andre, Delegierte seit 12 Jahren
E-Mail: cne@klinik.st-vith.be
Dajana Andre (links) und Nadja Jacobs: „Wir sind auf der Suche nach neuen Kandidaten! Es fehlen noch zwei, drei PflegerInnen, um diese Berufsgruppe besser zu vertreten.“
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Wie haben sich die Dinge seit dem Direktionswechsel entwickelt?
Als sich unsere damalige Direktorin, Frau Mertes, verabschiedete, wurde sie durch einen Generaldirektor und acht weiteren Direktoren für die einzelnen Bereiche (Paramedizin, Finanzen, Informatik, Infrastruktur, Apotheke, Pflege, Ärzte, Personalmanagement, Qualität) ersetzt. Von diesen neun Verantwortlichen sind jetzt noch zwei in ihren ursprünglichen Funktionen da. Das bedeutet, dass es immer wieder Umstrukturierungen im Organigramm gibt, dass die Arbeit umverteilt werden muss und dass wir als Delegation und Personal oft nicht wissen, an wen wir uns wenden können. Diese mangelnde Stabilität ist für uns sehr anstrengend, weil wir mit jedem neuen Direktor praktisch wieder von vorne anfangen müssen.Mit unserem Generaldirektor, Gaëtan Dumoulin, der Pflegedienstleiterin, Audrey Dubois, der Finanzdirektorin, Esther Crasson, und der Qualitätsdirektorin, Isabel Meyer, funktioniert die Zusammenarbeit aber sehr gut. Alle vier haben immer ein offenes Ohr für unsere Anliegen.
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Mit welchen Problemen wurdet ihr in den letzten vier Jahren konfrontiert?
Der Personalmangel ist und bleibt ein Problem auf fast allen Stationen. Zudem führen Konflikte zwischen Ärzten und Pflegepersonal dazu, dass sich letztere nach einem anderen Betätigungsfeld umschauen. Nicht zu vergessen auch die Schwangerschaften, die zu Ausfällen führen.
So waren auf der Intensivstation zeitweise nur 0-2 Betten verfügbar. Mit der Zeit konnten erst wieder 4 und seit neuestem 6 Betten belegt werden. Damit ist die Kapazität der Intensivstation endlich wieder voll ausgeschöpft.
In der Chirurgie sind nicht mehr alle 32 Betten verfügbar. In der Corona-Zeit wurde die Station mit der Reha-Station zusammengelegt, um auf der ersten Etage die Isolierstation zu eröffnen. Durch verschiedene Differenzen und Schwierigkeiten haben fast alle Pfleger die Chirurgie in den letzten Jahren verlassen. Danach musste ein neues Team aufgebaut werden. Dieses neue Personal ist meist französischsprachig, was sowohl für die Patienten als auch für die Kollegen und Kolleginnen nicht immer einfach ist. Zuerst gab es 16 Betten, die jetzt wieder auf 24 aufgestockt wurden.Somit wurde die Chirurgie von 32 auf 24 Betten verkleinert und eine neue Tagesklinik „Aufnahme“ ins Leben gerufen. Die chirurgische Tagesklinik verzeichnet immer mehr Aktivitäten, da der Trend darin besteht, die Patienten so kurz wie möglich stationär zu behandeln. Das bedeutet für uns als Pflegepersonal, dass die Beziehung zum Patienten verloren geht, weil alles viel schnelllebiger geworden ist.
Auch auf der Inneren Station reichen die aktuellen 18 verfügbaren Betten von maximal 34 Betten nicht aus. Unsere Notaufnahme läuft ab und zu praktisch über, aber da es zu wenig Betten auf der Inneren gibt, werden die Patienten zu schnell wieder nach Hause geschickt. Manche sehen wir dann ein paar Tage später wieder mit noch schlimmeren Beschwerden. Die Innere Station kämpft aber auch mit dem Problem des Ärztemangels. Es gibt viele Assistenzärzte, die immer wieder wechseln. Deshalb fehlt es an Stabilität.
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Gibt es auch Stationen ohne Probleme?
Ja, die gibt es. Die Wochenstation, die Psychiatrie und die Reha laufen relativ gut. Das sind Stationen, die gut planbar und immer voll belegt sind. Das Personalproblem ist in diesen Bereichen nicht so flagrant. So manche KollegInnen arbeiten dort schon seit vielen Jahren, was für Beständigkeit und ein gutes Arbeitsklima sorgt.
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Wie steht es um den Zusammenhalt des Personals?
Hier legen alle großen Wert auf Teambuilding. Jedes Jahr richtet die Klinik einen Neujahrsempfang aus, und nach den zwei Corona-Jahren hatte die Klinik ein großes Klinikfest in Worriken organisiert.
Das Personal selbst organisiert jedes Jahr ein Beach-Volleyballturnier unter den verschiedenen Diensten und ein Puzzleturnier. Am Möhnendonnerstag laden die Kinesitherapeuten das Personal ein. Zudem freut sich jedes Team auf seine eigene Weihnachtsfeier und eventuell auf ein Grillfest im Sommer. Alle diese Aktivitäten sind darauf ausgerichtet, den Zusammenhalt des Personals zu stärken und das Arbeitsklima zu verbessern. Die Klinik unterstützt dies noch mit zusätzlichen Weiterbildungsangeboten in Kommunikation, Teambuilding,…
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Gibt es positive Entwicklungen, die ihr gerne hervorheben möchtet?
- Da wir gerade von Weiterbildungen sprechen, möchten wir zuerst erwähnen, dass es nun ein Trainingscenter im eigenen Haus gibt. Dort werden fast alle Weiterbildungen für alle Berufsgruppen angeboten. Jede Direktion arbeitet ihre Module aus, an denen die Mitarbeiter dann teilnehmen. Zu diesem Zweck werden auch externe Ausbilder verpflichtet. Das ist eine sehr positive Sache, denn die Mitarbeiter ersparen sich damit die Kosten für Fahrten und Einschreibegebühren.
- Als sehr positiv bewerten wir auch die Aufstockung verschiedener Equipen. Die mobile Equipe wurde von zwei auf vier Krankenpfleger und einige Pflegehelfer erhöht. Sie springt dort ein, wo es gerade benötigt wird. Die Logistikequipe übernimmt mittlerweile alle Fahrten und Botengänge. Auch sie wurde aufgestockt, damit die PflegerInnen mehr Zeit am Bett des Patienten haben.
- Ein weiteres Projekt, welches vor ein paar Jahren eingeführt wurde, ist die Berufsgruppe der ASA (administrative Stationsangestellte). Sie übernehmen alle Büroarbeiten, die kein Pfleger speziell machen muss. Sie sind auch sehr gute Ansprechpartner für die Patienten und ihre Angehörigen.
- Dann gibt es noch ein neues Projekt, das endlich umgesetzt werden konnte, nachdem es seit Jahren zu unseren Forderungen für die Entlastung der Pflege vor einem Klinikaufenthalt gehörte. Es handelt sich um die VKA-Sprechstunde (Verwaltung Krankenhausaufenthalt). Hier arbeiten Anästhesisten, Pfleger, ASAs und Sekretärinnen eng zusammen, das bedeutet, sie nehmen den Patienten vor der OP in Empfang, planen und organisieren alle zu erledigende Schritte (Bettenreservierung, Visite beim Anästhesisten, Anamnese…).
Das sind alles Maßnahmen, die sehr zur Entlastung des Pflegepersonals beitragen. Ihre Arbeitsbedingungen haben sich verbessert, weil ihnen nun mehr Zeit für die Pflege der Patienten bleibt.Zudem freuen wir uns über den Erhalt einer Flexibilitätsprämie und von Mahlzeitschecks. Das administrative Personal konnte das Homeoffice auch nach der Coronazeit behalten. -
Wie sieht die Arbeit in der Delegation aus und findet ihr neue Kandidaten?
Nach den letzten Sozialwahlen bestand unsere Equipe aus 23 Leuten. 16 davon waren richtig aktiv. Für die Wahlen im Mai bleiben uns 12 Mitarbeiter, die sich wieder zur Wahl stellen. Das bedeutet, wir sind auf der Suche nach neuen Kandidaten. Sechs haben wir schon gefunden, es fehlen aber noch zwei, drei PflegerInnen, um diese Berufsgruppe besser zu vertreten. Wir stellen aber fest, dass es sehr schwierig ist, neue und vor allem junge Arbeitnehmer zu motivieren.
Zum einen gibt es da das Sprachenproblem, weil viele französischsprachig sind und unsere Versammlungen meistens in Deutsch ablaufen. Entweder müssen wir alles übersetzen oder die Versammlungen in Französisch abhalten. Aber ehrlich gesagt, das wäre uns Deutschsprachigen auch zu anstrengend, da es nicht immer einfach ist, seine Anliegen und Emotionen in einer Fremdsprache auszudrücken.
Uns ist aber auch bewusst, dass wir ohne unsere französischsprachigen Kollegen die Klinik nicht in allen Bereichen aufrecht erhalten könnten, besonders in der Pflege.
Zum anderen besteht ein Mentalitätsproblem. Wir Älteren arbeiten noch für unsere Klinik, für ihren Erhalt, dafür, dass alles gut läuft und unsere Patienten zufrieden sind. Das ist bei vielen jungen Leuten nicht mehr der Fall. Unser jetziges Team besteht hauptsächlich aus Leuten aus der hiesigen Gegend, mit der gleichen Mentalität. Wir stellen auch fest, dass wir zunehmend mit anderen Kulturen konfrontiert werden, zuerst in der Raumpflege, nun auch bei den Pflegern und Ärzten. Auch das macht die Dinge nicht einfacher…
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Welche Probleme seht ihr in den kommenden Jahren auf euch zukommen?
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Ein neues Gesetz besagt ja, dass man, wenn man im Urlaub krank wird, diese „verlorenen“ Urlaubstage später in Anspruch nehmen darf. Wir befürchten, dass diese Regelung von vielen ausgenutzt werden könnte und sind gespannt auf die konkreten Auswirkungen. Auch das Gesetz, dass man drei Wochen am Stück frei bekommt in der Haupturlaubsperiode, stellt sich für den Dienstleiter durch den schon vorher bestehenden Personalmangel und auch ab und zu den vielen Krankmeldungen eher als schwierig dar.
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Ein weiteres Thema ist die Digitalisierung im Gesundheitswesen. Der Lohnzettel für alle Mitarbeiter wurde digitalisiert und es gibt kein Papierausdruck mehr, das war auch für etliche Mitarbeiter eine Umstellung.
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Ein neues Patienten- und Fakturationsprogramm (WISH) wurde umgesetzt, als erste große Etappe zur Schaffung einer gemeinsamen Datenbank für die Patientenakten des Gesundheitsnetzwerkes MOVE – CHC, St. Nikolaus Hospital Eupen und Klinik St. Josef St.Vith. Auch das Projekt zur Umsetzung für das DPI („dossier patient informatisé“ - informatisierte Pflegeakte) läuft bereits. Hier findet ein Wandel in der Pflege statt. Es wird sehr viel Zeit im Büro und am PC verbracht, um alles korrekt zu dokumentieren.
- Dann stellen wir uns natürlich die Frage, wie es mit den Finanzen weitergeht. Die Klinik schreibt rote Zahlen, die Reserven sind aufgebraucht und alle Ressourcen werden ausgeschöpft. Das ist ein großes Problem, für das die Politik im Gesundheitswesen verantwortlich ist und nur auf dieser Ebene gelöst werden kann.
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Angesichts all dieser Entwicklungen und Herausforderungen seid ihr immer noch motiviert, ein weiteres Mal für die Sozialwahlen zu kandidieren?
Uns liegen das Krankenhaus und seine Mitarbeiter weiterhin am Herzen. Durch die langjährige Gewerkschaftsarbeit sind wir gelassener geworden. Wir regen uns nicht mehr so schnell auf wie früher. Und bei schwierigen Fragen steht uns unsere Gewerkschaftssekretärin Vera Hilt immer mit Rat und Tat zur Seite, wofür wir uns auch an dieser Stelle bei ihr bedanken möchten. $
Wir wissen: Es ist viel Geduld gefragt, bis etwas erreicht wird. Aber wir können was erreichen. Dafür lohnt sich der Einsatz!